Chronik

Der Ursprung 1954

Die eigentliche Geburtsstunde der Heilsberghexen lässt sich auf das Jahr 1954 zurückführen, als die erste Umzugsteilnahme der Heilsberghexen urkundlich erwähnt wurde. Da wir bei unseren Recherchen erst später auf dieses erste Datum aufmerksam wurden, halten wir dennoch am offiziellen Gründungsjahr 1956 fest.

Bei der damaligen Sitzung der Gerstensackzunft unter der Führung des Zunftmeisters Arthur Osann am 19. Januar 1954 im Gasthaus Sternen, war unter anderem Karl Heinemann anwesend. Als Malermeister und Gestalter der Biberdamm-Glonker und so manchem Umzugswagen hatte er schon immer mit seiner künstlerischen Ader zum Gelingen eines farbenprächtigen Umzuges beigetragen. Zum Anlass des 80-jährigen Jubiläums der Gerstensäcke sollte ein unvergesslicher Umzug ins Leben gerufen werden. Karl Heinemann war der Meinung, alles so zu gestalten, wie es vor 80 Jahren wohl mal war: „Man soll alles durch die Maske sehen!“

 

 

In diesem Jahr waren es nur einige, wenige junge Gottmadinger, die sich das erste Hexen-Häs überstülpten. Einfach war es, ein alter Rock, eine gefärbte Bluse aus Leintuch genäht, ein Schurz und die Maske – ja die Maske, die Maske der Heilsberghexe. Eine kleine Gruppe aus Lehrlingen und Gesellen begleitet von einigen grauen Reitern, den Pfadfindern, denen Kurt Heinemann damals angehörte, brachen zu Fuß auf, nur mit einem alten Schesewagen bestückt.

Die Gesellen Kurt Wildi, Eduard Gassner, Johann Hägele, Paul Ruf, Uli und Arno Schlinsok, Robert Verkerk, Guido Fernekes und Kurt Heinemann machten sich auf zum schaurig-närrischen Treiben. Es soll dem Autor verziehen werden, falls an dieser Stelle ein Maskenträger nicht erwähnt wurde. Guido Fernekes erinnert sich noch gut an die Aktion, als die ersten Masken, nachdem sie unter Regie von Karl Heinemann geformt wurden, anschließend im Ofen beim Wildi Kurt langsam in ihre endgültige Form gebacken wurden. Bei der Teilnahme amJubiläumsumzug der Gerstensäcke am Fasnet-Mäntig wurden die neu geborenen Hexen noch im hinteren Drittel des Umzuges eingereiht.

Gründungsjahr 1956

Nach einem Jahr Pause war es dann 1956 soweit, die Heilsberghexen hatten sich formiert und reihten sich unter die vordersten Gruppen am Fasnet-Mäntig-Umzug ein. Sie hatten sich den Platz hinter den Biberdamm-Glonkern erkämpft und waren von dort an auch fester Bestandteil des Fasnet-Mäntig-Umzugs.

 

 

Geburtsort der Heilsberghexe

In den darauf folgenden Jahren produzierte Karl Heinemann leidenschaftlich neue Masken aus Pappmaché. Ab Dezember saß er Abend für Abend im Keller, formte und bastelte mit den Malergesellen, so dass die Masken mit jeder darauf folgenden Fasnet schöner wurden. Die gesamte Prozedur, bis eine Maske endgültig fertig war, dauerte gut und gerne 3 bis 4 Wochen. Seine Frau färbte die Leinen, aus denen sich die Gesellen dann das Häs nähen ließen. Sie waren anders als alles, was man bisher an Larven kannte; überhaupt war damals in Gottmadingen kaum eine Maskengruppe an den Umzügen dabei, und schon gar keine Hexe.

 

 

1958 – 1968

Die Hexen wuchsen langsam zu einer stattlichen Gruppe und hatten sich im Laufe der Jahre auch motorisiert. Dabei kamen aus der Verwandtschaft der Heinemanns einige verrückte Narren aus Friedingen hinzu, aus denen vermutlich die Friedinger Schlosshexen entstanden, so Kurt Heinemann.

Wie der erste vom Traktor gezogene Hexenwagen entstand, entzieht sich unseren Recherchen, gelenkt wurde dieser jedoch meistens von Josef Gassner.

In den Jahren danach wurde aus einer noch von vergangenen Umzügen vorhandenen, voluminösen Frauengestalt die Basis für den zukünftigen Hexenwagen geschaffen. Eine gigantische, hydraulisch bewegte Hexe verlieh dem Hexenwagen einen unvergesslichen Charakter. Alte Gottmadinger Narren erinnern sich nur zu gut an diese Gestalt, die ihre Arme über den sich immer wieder ändernden Aufbau des Wagens ausbreitete.

„Wir haben damals schon ordentlich um getrieben“ so Kurt Heinemann, „als der Uli Schlinsok von der Mauer bei Lili Graf sprang und sich das Fersenbein brach. Aber das gehörte halt dazu, damals wie heute“, so Heinemann.

Knapp 10 Jahre nach der Gründung hatte man bereits die ersten Annäherungsversuche zu der hiesigen Zunft unternommen. Die karnevalistisch geprägten Zunftväter waren von einem solchen Vorhaben allerdings nicht begeistert. Kurt Heinemann erinnert sich an die angeregten Diskussionen im Muffler; aber dabei ist es dann auch geblieben. Nun denn, die Hexen ließen sich nicht unterkriegen und möbelten Jahr für Jahr ihren mittlerweile bekannten Wagen aufs Neue auf und bereicherten die Fasnet-Mäntig-Umzüge.

 

 

Vereine unter der Hexen-Maske

1970 – 1975

Mit dem Untergang der Bilger-Ära wurde es immer schwieriger, einen geeigneten Unterstellplatz für die große Hexe zu bekommen. Der Weggang einiger Hexen machte es nicht leicht, das Ganze am Leben zu erhalten. So suchte man Unterstützung und fand diese beim Schützenverein Gottmadingen. Die Schützen übernahmen die Kostüme und pflegten den Brauch der Hexen weiter.

Der Schützenverein übernahm in den ersten Jahren auch den Wagen mit der großen Hexe. Mitte der 70-er Jahre hatte der Aufbau auch auf Grund des nicht optimalen Unterstellplatzes stark gelitten und fiel schlussendlich der Fackel zum Opfer.

Der Schützenverein übergab das Häs in den darauf folgenden Jahren wieder in die Obhut der Maler.

 

Rettungsschwimmer „wiederbeleben“ die Heilsberghexen

1977

Eine Gruppe stürmischer Jungs der DLRG Gottmadingen erlebten den tristen Alltag eines Rettungsschwimmers. Günther Burger, der damalige erste Vorsitzende der DLRG, hatte kurz vor der Fasnet '77 die Idee, den Burschen etwas Abwechslung zu verschaffen. Er kam zum Mittwochstraining und fragte „Jungs wollt ihr als Heilsberghexen am Fasnet-Mäntig-Umzug mitmachen?“. Die Begeisterung war sofort vorhanden. Sogleich wurden Pläne geschmiedet, wie man wohl am besten die Mädels auf den Hexenwagen kriegt. Am Fasnet-Samstag trafen wir uns hinterm Hof von Peter Wick, der uns einen Wagen als Hexenwagen zur Verfügung stellte. Da stand er nun der leere Anhänger, daneben ein Haufen Tannenreisig, ein paar Bretter, eine große Tüte voller Nägel und die Kartons mit den Hexenmasken und dem Häs. Innerhalb weniger Stunden war der erste Hexenwagen zusammengezimmert – nicht schön, aber schaurig selten. Die Masken und die Häser wurden verteilt, die Idee ward geboren mit Fingerfarben die Mädchen zu „verzieren“. Und so erwarteten die Jungs der DLRG als neue Heilsberghexen den Fasnet-Mäntig-Umzug 1977 ...alle waren begeistert und viele Fasnet-Mäntig-Umzüge sollten noch mit der DLRG als Heilsberghexen folgen.

Die erfolgreichen „Heilsberghexen-Lebensretter“ waren: Jörg Hochhausen, Bernd Ruh, Joachim Hinz, Wolfram Jäck, Stefan Jäck, Walther Radermacher, Peter Schaal, Andreas Raubold, Oliver Wanner, Thomas Wanner und Karl Huber. Wer sonst, außer der DLRG, hätte die Hexen vor dem Ertrinken retten können? 

In den folgenden Jahren wechselten die Häser innerhalb der DLRG des Öfteren ihre Träger. Über ein Jahrzehnt dauerte die Ära bereits an, in der die DLRGler vor der Fasnet die Vorbereitungen starteten. Die Maskenproduktion hatte sich mittlerweile von der Malerwerkstätte in die Blechnerwerkstatt der Firma Ruh verlagert. Dort wurden anfangs der 80-er Jahre die aufwändigen Masken nach wie vor aus Pappmaché gefertigt. Das Trocknen der Masken war wie jeher die kritischste Phase, bei der damals nur zwei Masken verbrannten und die Werkstatt glücklicherweise keinen Schaden nahm.

1986 – 1988

Die aufwändige Produktion der Pappmaché-Masken gab 1986 den Anstoß, sich kurz entschlossen eine Holzmaske schnitzen zu lassen. Die erste Generation der geschnitzten Holzmasken wurde damals von einem Schnitzer aus Bietingen angefertigt.

Die Holzmaske

Die erste Holzmaske erlebte nur eine kurze aktive Zeit. Beim Anblick dieser Larve, unter Insidern auch als „Das Herdöpfel Gsicht“ bezeichnet, waren deren Träger nicht wirklich begeistert. Die Sicht unter der Maske war extrem eingeschränkt und wenn man sich damals gegenseitig auf Augenhöhe entgegen trat, war es klar, dass sich dieses Gesicht noch wandeln musste. Obgleich man bei genauem Betrachten der Maske doch feststellen musste, dass diese Larve etwas Einzigartiges hat. 

Aber das gewisse Etwas, was eine furchterregende und dennoch schöne Maske ausmacht, konnte uns diese Maske einfach nicht vermitteln.

Deshalb entschloss man sich Ende der 80-er Jahre, weiterhin unter der Fahne der DLRG Gottmadingen, die Renaissance der Heilsberghexen einzuläuten. Im Sommer des Jahres 1989 entschied man in einer Gruppe von 21Hexen, ein einheitliches Häs einzuführen und dieses mit einer neuen Holzmaske zu schmücken. 

Träger des neuen Häs waren:

Christof Ruh; Conny Pohl; Ralf Bührer; Martina Löchle; Michaela Rädle; Thomas Binder; Gudrun Kroschke; Ulrich Hügle; Christian Conrady; Markus Löchle; Andreas Zeller; Christian Richter; Nicole Wulf; Thomas Radermacher; Michael Zeller; Iris Schrul; Georg Ruh; Markus Fahr; Thomas Fischer; Marcel Leonhard; Jutta Schäfer.

Von der Pappmaché- zur Holzmaske

1956 Pappmaché-Masken 

ca. 1960 Pappmaché-Masken

ca. 1983 Pappmaché-Masken

ca. 1986 die erste Holzmaske

seit 1989 das heutige Häs 

Der Schnitzer Reinhold Schäle aus Ravensburg bekam den Auftrag, die neuen Holzmasken anzufertigen, jede zu einem Preis von damals 239 DM.

Die älteren Hexen erinnern sich gerne zurück an die Zeit, als die Truppe, zu weilen nur mit einem Dutzend Hexen so manchen Umzug zu einem unvergesslichen Highlight machte. Seit diese Maskengruppe die Umzüge in Nah und Fern bereichert, werden die Heilsberghexen nicht selten zu den schönsten Maskenträgern der Umzüge gezählt.

Die Vereinsgründung 

In den folgenden Jahren kamen immer mehr aktive Hexen hinzu, wodurch die Führung des Vereines unter der DLRG zusehends schwieriger wurde, da jede Neuhexe gleichermaßen DLRG-Mitglied werden musste. Desweiteren ließ die versicherungstechnische Seite kaum Spielraum, die Hexen mit dem eigentlichen Vereinszweck der DLRG zu vereinbaren. Aus diesen Gründen musste man die Vereinsgründung forcieren. Am 10.10.1993 trafen sich im Jägerstüble in der Fahr-Kantine 20 aktive Hexen zur Gründungsversammlung.

Auszug aus dem Protokoll:

Protokoll zur Gründungsversammlung vom 10.10.93 der Heilsberghexen Gottmadingen e.V.

Von 28 Mitgliedern waren 20 Personen anwesend und somit beschlussfähig. Von Michael Zeller wurde der Versammlung mitgeteilt, daß es zukünftig nicht mehr möglich ist, die Hexengruppe bei Veranstaltungen über die DLRG zu versichern. Die Satzung der DLRG schreibt ein klar definiertes Bild der Aufgaben eines DLRG-Mitgliedes vor. Die Aktivitäten der Heilsberghexen in der DLRG stehen in keiner Verwandtschaft dazu. Das heißt, die Heilsberghexen sind während ihrer Umzüge nicht versichert. 

Es wurden 4 Möglichkeiten erarbeitet, dies zu ändern:

1. Jede einzelne Hexe kann sich über eine private Haftpflicht-Versicherung absichern. Kosten: 60,– DM. Schüler und Studenten können sich über Ihre Eltern versichern.

2. Absicherung über eine Vereins-Haftplicht, Jede Veranstaltung wird einzeln versichert. Kosten: ca. 50,– DM pro Veranstaltung bei ca. 30 Teilnehmern (Info aus einer Versicherungsagentur).

3. Eintritt der Hexen in den Narrenverein Gottmadingen.

4. Gründung eines eigenen Vereins.

Abstimmung mit 20 stimmberechtigten Anwesenden:

Gründung eines eigenen Vereins:

Ja:  19              Nein:  –              Enthaltungen:  1

Somit war der Grundstein für die Vereinsgründung gelegt. Spätestens seit der offiziellen Gründung zählen die Heilsberghexen zu einem innovativen Verein, der stolz auf seine Mitgliederzahl von nunmehr 80 aktiven Erwachsenen, 41 Kinderhexen und 34 passiven Mitgliedern ist und sich in Gottmadingen vor allem durch die Wiedergeburt der Straßenfasnet einen Namen gemacht hat.

Die Gottmadinger Fasnet mit zu gestalten und sie am Leben zu erhalten, liegt uns ganz besonders am Herzen – wobei wir auch weiterhin gerade die Stra ßenfasnet im Auge behalten werden. In ihr sehen wir den Ursprung unserer Fasnet, der unbedingt bewahrt werden muss. Wie in den vergangenen Jahren be gonnen, werden wir am Schmutzigen Dunschtig und am Fasnet-Mäntig schwäbisch-alemannische Fasnet auf den Straßen und Plätzen des Dorfes leben. Dabei werden wir uns auch immer dem traditionellen Brauchtum verpflichtet fühlen, denn das sind die Wurzeln der von uns allen geliebten fünften Jahreszeit. Und bei all diesem Tun wird der Narrensamen immer eine besondere Rolle bei uns einnehmen, da er schon immer im Mittelpunkt unserer Fasnet stand. Die mittlerweile über 40Kinder und Jugendlichen bereichern mit voller Begeisterung die Gottmadinger Fasnet, worauf wir auch mächtig stolz sind.

So wollen wir in Zukunft weiterhin die Heilsberghexen lauthals in den Gassen hören:

„Heilsberg – Hexee“,  Heilsberg – Hexee“

„Wie sim´mer“,   „Guet sim´mer“

„Wie sim´mer“,   „Guet sim´mer“

„Mensch, sin mir Guet“